Sonntag, 26.01.25 Kubicki in Ellerau
Es ist wahrscheinlich nicht jedermanns Sache, einen grieselig-grauen Sonntagmorgen mit einer ungemütlichen Standortbestimmung zu beginnen. Schon gar nicht, wenn es um Bürokratiewildwuchs, Migrationsprobleme, Energieversorgung, Fachpersonalmangel, Sicherheit vor gewalttätigen Angriffen, Wohlstandsverlust und Rezession geht. Alles keine neuen und vor allem keine Wohlfühl-Themen, sondern Stichworte, die medial schon in Unendlichkeitsschleifen des Wahlkampfes durchgenudelt wurden.
Allerdings muss man irgendwann einmal damit anfangen, sich zu überlegen, wo man sich in fünf Jahren sehen möchte – in jedem Personalgespräch wird diese Frage gestellt.
Warum dann also nicht am 26.01.2025 in Ellerau gemeinsam mit dem Vizepräsidenten des Bundestages und Strafverteidiger Wolfgang Kubicki, der Kandidatin für den Bundestag des Wahlkreises Segeberg, Frau Nora Grundmann und dem Kreisvorsitzenden Bad Segeberg Helmer Krane?
Nicht nur die sonnengelben Aufsteller der FDP in Kramers Gasthof bildeten einen Kontrast zum schleswig-holsteiner Schmuddelwetter. Auch die lockere Stimmung im gutgefüllten Saal setzte einen Kontrapunkt zur „Enge und Spießigkeit“, die Herrn Kubickis Tochter- nach dessen Angaben im späteren Verlauf des Vormittags – in Deutschland verortete.
Nachdem Helmer Krane die Anwesenden als Gastgeber gemeinsam mit der Ortsverbandsvorsitzenden Ellerau Sabine Quade herzlich begrüßt und alle zu einem launigen „Meinungsfeuerwerk“ eingeladen hatte, gab Nora Grundmann einige Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen im eigenen Wahlkampf. Die Anekdoten brachten zum Schmunzeln – etwa, als sie von der erstaunlichen Wandlung eines ihrer ehemaligen Schüler erzählte – oder machten nachdenklich, als sie die Sorgen einer seit Jahrzehnten in Deutschland lebenden und fest verwurzelten Familie arabischer Herkunft schilderte.
Danach betraten mit Wolfgang Kubicki nicht nur über 50 Jahre Partei- und Politikgeschichte das Parkett, sondern auch das liberale Urgestein, das küstenklare Worte für einige der aktuellen Baustellen findet: Bürokratieabbau – per gesetzlicher Anordnung, Weihnachtsmärkte – die so nicht mehr heißen dürfen, (sportliche) Wettkämpfe – die aus Rücksicht kein Kräftemessen mehr sein dürfen, das zahlenmäßige Verhältnis von Beamten zu Unternehmern in der Bevölkerung – 6% zu 3%, der freie Fall auf der Rangliste der Wohlstandsmehrung – Platz 30 von 30, Fehlplanungen bei der Energiewende – Bau von Windkrafträder ohne den Ausbau der Netze um den erzeugten Strom zu verteilen, Fachkräftemangel, Nachfolgeprobleme im Mittelstand und Freiheit der Meinungsäußerung – solange sie opportun ist.
Die genannten – und aus Zeitmangel nicht genannten – Untiefen sind nicht neu. Wie sollten sie auch. Dass ernsthaft eine Kursänderung notwendig ist, um wieder ins Fahrwasser zu kommen, ist auch keine wirkliche Überraschung.
Kubicki spricht mit dem liberalen Parteiprogramm Menschen an, die sich selbst eine Meinung bilden wollen und die keine Bevormundung – oder gar Betreuung – bei der Wahl benötigen.
Er forderte zur Meinungsfreiheit – und zum Aushalten fremder Standpunkte ohne deren Abwertung heraus, zu Leistungswillen und -bereitschaft. Wenn man sich angestrengt habe, müsse sich das auch lohnen, nicht, weil man besser als andere sei, sondern weil man stolz sein könne, etwas geleistet zu haben.
Auch wenn der Vortrag – auch bei der Beantwortung der späteren Fragen und Kommentare aus dem Auditorium – in gewohnt lockerer Art fast unterhaltsam daherkam, nicht an Bemerkungen über die politischen Gegner und deren Menschenbild sparte und um einige Anekdoten seines
politischen und persönlichen Wirkens angereichert war, war Kubickis Botschaft klar: Es geht nicht darum, Ängste zu schüren und Weltuntergangsstimmung zu verbreiten, sondern darum, eine ungeschönte – vielleicht auch schmerzhafte – Bestandsaufnahme zu machen – und mit Mut und Kreativität Lösungen zu finden. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Nach dem Beifall am Ende der Veranstaltung zu urteilen, waren die Anwesenden – die teilweise sogar aus Lüneburg angereist waren – mit dieser Aufforderung durchaus einverstanden. Ebenso wie der Redner selbst mit den Präsenten, die ihm von den Organisatoren zum Abschluss der Veranstaltung überreicht wurden: etwa eine Tasse der Karl-May-Festspiele Bad Segeberg mit der Aufschrift „wo die Herzen wilder schlagen“.
Möge der Tasse in der kommenden Legislatur im Kabinett in Berlin kalter Kaffee erspart bleiben.
Verfasser: Iris Feuersenger
Fotos: Marek Studzinski